Myasthene Krise

Definition

(S2K Leitlinie der DGN)

Die myasthene Krise ist definiert als eine lebensbedrohliche Exazerbation der Myasthenia gravis mit respiratorischer Insuffizienz und Aspiration.

Pathophysiologie

Häufigste Ursachen der myasthenen Krise sind:

  • Infektionen
  • Medikamenteneinnahmefehler
  • unzureichende Immunsuppression
  • Elektrolytentgleisung
  • Perioperative Phase

Pyridostigmin Äquivalenzdosis

30mg Pyridostigmin oral entsprechen 1mg iv

Hintergrund Myasthenia gravis

Die Myasthenia gravis ist eine Autoimmunantikörper-vermittelte neuromuskuläre Erkrankung. Leitsymptom ist die belastungsabhängige muskuläre Schwäche. Ca. 80% der Patienten weisen IgG-Antikörper gegen den nikotinergen Acetytcholinrezeptor (nAChR) auf. Antikörper gegen MuSK bzw. LRP-4 treten seltener (3% bzw. 1%) auf. Darüber hinaus können Antikörper gegen Titin, Agrin etc. auftreten. Bei der sog. seronegativen Myasthenie sind keine Antikörper nachweisbar. Insbesondere bei Patienten mit nAChR-Antikörpern liegt häufig eine Thymushyperplasie vor. Bei Patienten mit Thymom oder Thymuskarzinom liegt häufig eine breitere Antikörperkonstellation vor (schwieriger behandelbar). Die Therapie erfolgt in der Regel lebenslang mit Immunsuppressiva (Glukokortikoiden, Azathioprin, MMF). Bei Patienten mit nAChR-AK, sowie bei Thymom/Thymuskarzinomverdacht sollte eine Thymektomie frühzeitig im Erkrankungsverlauf erfolgen.

Myasthene Krise

Bei einem Teil der Myasthenie-Patienten kommt es durch einen Trigger zu einer Verschlechterung der Symptomatik. Insbesondere zunehmende Schluckstörungen sowie die respiratorische Insuffizienz erfordern eine intensivmedizinische Behandlung und Überwachung. Auch bei bekannter Myasthenie mit akuter respiratorischer Insuffizienz sollte differentialdiagnostisch eine kardiale/pulmonale Ursache in Betracht gezogen und aktiv ausgeschlossen werden (Pneumonie, LAE, Herzinsuffizienz). Die Therapie der myasthenen Krise besteht in ggf. Erhöhung der Pyridostigmindosis sowie Plasmapherese oder Immunglobulingabe, Obwohl überzeugende Studiendaten fehlen scheint die Plasmapherese zu einer schnelleren Verbesserung der Symptomatik zu führen. Eine hochdosierte Glukokortikoidgabe verschlechtert häufig die respiratorische Symptomatik und sollte in der Initialphase vermieden werden. Patienten mit MuSk-AK scheinen besser auf Plasmapherese und weniger gut auf IVIG zu reagieren.

StoffgruppenSubstanzen
AnalgetikaFlupirtin, Morphinpräparate
AntiarrhythmikaChinidin, Ajmalin, Mexitil, Procainamid
Antibiotika- Aminoglykoside (v.a. Streptomycin, Neomycin, weniger Tobramycin)
- Makrolide (z.B. Erythromycin)
- Ketolide (Telithromycin/ Ketek)
- Lincomycine
- Polymyxine
- Gyrase-Hemmer (Levofloxacin, Ciprofloxacin)
- Sulfonamide
- Tetrazykline
- Penicilline nur in besonders hoher Dosierung
AntidepressivaSubstanzen vom Amitriptylin-Typ
AntikonvulsivaBenzodiazepine, Carbamazepin, Diphenylhydantoin, Ethosuximid, Gabepentin
AntimalariamittelChinin, Chloroquin, Etanercept
AntirheumatikaD-Penicillamin, Chloroquin, Etanercept
BetablockerOxprenolol, Pindolol, Practolol, Propranolol, Timolol – auch bei topischer Anwendung als Augentropfen
Botulinum-Toxin
KalziumantagonistenVerapamil, Diltiazem, Nifedipin und verwandte Substanzen
DiuretikaAzetazolamid, Benzothiadiazine, Schleifendiuretika
Glukokortikoidetransiente Verschlechterung bei Behandlungsbeginn mit hohen Dosierungen
InterferoneInterferon-alpha (Einzelfälle)
Lithium
LokalanästhetikaProcain (Ester-Typ); die heute verwendeten Substanzen vom Amid-Typ sind unproblematisch
Magnesiumhohe Dosen als Laxanzien
MuskelrelaxanzienCurare-Derivate, wegen erhöhter Empfindlichkeit initial 10-50% der normalen Dosierung wählen und vorher immer Relaxometrie einsetzen. Succinylcholin sollte nicht eingesetzt werden
PsychopharmakaChlorpromazin, Promazin und verwandte Substanzen, alle Benzodiazepine und verwandte Substanzen, z.B. Zolpidem, Zopiclon
Statine

Mögliche Auslöser einer myasthenen Krise. Diese Liste ist nicht vollständig. Bei jeder Einführung eines neuen Medikaments muss nach typischen Symptomen und deren Intensität nachgefragt werden. Allerdings sollte auch klar gewichtet werden, wenn lebensbedrohliche Erkrankungen spezifische Medikation erfordern. Modifiziert nach: Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome

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