Myasthene Krise
- Sicherung der Vitalfunktionen ggf. nicht invasive/invasive Beatmung
- Differentialdiagnostik der respiratorischen Insuffizienz
- Ausschluss resp. Insuffizienz anderer Genese (Pulmonal/Kardial)
- Elektrolytbestimmung (Kalium, Magnesium, Phosphat)
- Infektiologische Differentialdiagnostik (CRP,PCT, ggf. Blutkulturen)
- TSH-Bestimmung
- Pyridostigminbolus 1-3mg iv. (CAVE Umrechnungsfaktor oral – iv 30:1)
- Bei intubierten Patienten (auf absehbar längere Zeit) Pyridostigminpause erwägen
- Evaluation cholinerger Nebenwirkungen (ggf. Atropingabe)
- Vermeide Myasthenie-verschlechternde Medikamente
- Rücksprache mit Neurologie für weitere Therapie
- Pyridostigminperfusor (0,5-1 mg/h)
- Plasmapherese
- Ggf. Immunglobulingabe (IVIG 0,4g/kg für 5 Tage)
Definition
Die myasthene Krise ist definiert als eine lebensbedrohliche Exazerbation der Myasthenia gravis mit respiratorischer Insuffizienz und Aspiration.
Pathophysiologie
Häufigste Ursachen der myasthenen Krise sind:
- Infektionen
- Medikamenteneinnahmefehler
- unzureichende Immunsuppression
- Elektrolytentgleisung
- Perioperative Phase
Pyridostigmin Äquivalenzdosis
30mg Pyridostigmin oral entsprechen 1mg iv
Hintergrund Myasthenia gravis
Die Myasthenia gravis ist eine Autoimmunantikörper-vermittelte neuromuskuläre Erkrankung. Leitsymptom ist die belastungsabhängige muskuläre Schwäche. Ca. 80% der Patienten weisen IgG-Antikörper gegen den nikotinergen Acetytcholinrezeptor (nAChR) auf. Antikörper gegen MuSK bzw. LRP-4 treten seltener (3% bzw. 1%) auf. Darüber hinaus können Antikörper gegen Titin, Agrin etc. auftreten. Bei der sog. seronegativen Myasthenie sind keine Antikörper nachweisbar. Insbesondere bei Patienten mit nAChR-Antikörpern liegt häufig eine Thymushyperplasie vor. Bei Patienten mit Thymom oder Thymuskarzinom liegt häufig eine breitere Antikörperkonstellation vor (schwieriger behandelbar). Die Therapie erfolgt in der Regel lebenslang mit Immunsuppressiva (Glukokortikoiden, Azathioprin, MMF). Bei Patienten mit nAChR-AK, sowie bei Thymom/Thymuskarzinomverdacht sollte eine Thymektomie frühzeitig im Erkrankungsverlauf erfolgen.
Myasthene Krise
Bei einem Teil der Myasthenie-Patienten kommt es durch einen Trigger zu einer Verschlechterung der Symptomatik. Insbesondere zunehmende Schluckstörungen sowie die respiratorische Insuffizienz erfordern eine intensivmedizinische Behandlung und Überwachung. Auch bei bekannter Myasthenie mit akuter respiratorischer Insuffizienz sollte differentialdiagnostisch eine kardiale/pulmonale Ursache in Betracht gezogen und aktiv ausgeschlossen werden (Pneumonie, LAE, Herzinsuffizienz). Die Therapie der myasthenen Krise besteht in ggf. Erhöhung der Pyridostigmindosis sowie Plasmapherese oder Immunglobulingabe, Obwohl überzeugende Studiendaten fehlen scheint die Plasmapherese zu einer schnelleren Verbesserung der Symptomatik zu führen. Eine hochdosierte Glukokortikoidgabe verschlechtert häufig die respiratorische Symptomatik und sollte in der Initialphase vermieden werden. Patienten mit MuSk-AK scheinen besser auf Plasmapherese und weniger gut auf IVIG zu reagieren.
Stoffgruppen | Substanzen |
---|---|
Analgetika | Flupirtin, Morphinpräparate |
Antiarrhythmika | Chinidin, Ajmalin, Mexitil, Procainamid |
Antibiotika | - Aminoglykoside (v.a. Streptomycin, Neomycin, weniger Tobramycin) - Makrolide (z.B. Erythromycin) - Ketolide (Telithromycin/ Ketek) - Lincomycine - Polymyxine - Gyrase-Hemmer (Levofloxacin, Ciprofloxacin) - Sulfonamide - Tetrazykline - Penicilline nur in besonders hoher Dosierung |
Antidepressiva | Substanzen vom Amitriptylin-Typ |
Antikonvulsiva | Benzodiazepine, Carbamazepin, Diphenylhydantoin, Ethosuximid, Gabepentin |
Antimalariamittel | Chinin, Chloroquin, Etanercept |
Antirheumatika | D-Penicillamin, Chloroquin, Etanercept |
Betablocker | Oxprenolol, Pindolol, Practolol, Propranolol, Timolol – auch bei topischer Anwendung als Augentropfen |
Botulinum-Toxin | |
Kalziumantagonisten | Verapamil, Diltiazem, Nifedipin und verwandte Substanzen |
Diuretika | Azetazolamid, Benzothiadiazine, Schleifendiuretika |
Glukokortikoide | transiente Verschlechterung bei Behandlungsbeginn mit hohen Dosierungen |
Interferone | Interferon-alpha (Einzelfälle) |
Lithium | |
Lokalanästhetika | Procain (Ester-Typ); die heute verwendeten Substanzen vom Amid-Typ sind unproblematisch |
Magnesium | hohe Dosen als Laxanzien |
Muskelrelaxanzien | Curare-Derivate, wegen erhöhter Empfindlichkeit initial 10-50% der normalen Dosierung wählen und vorher immer Relaxometrie einsetzen. Succinylcholin sollte nicht eingesetzt werden |
Psychopharmaka | Chlorpromazin, Promazin und verwandte Substanzen, alle Benzodiazepine und verwandte Substanzen, z.B. Zolpidem, Zopiclon |
Statine |
Mögliche Auslöser einer myasthenen Krise. Diese Liste ist nicht vollständig. Bei jeder Einführung eines neuen Medikaments muss nach typischen Symptomen und deren Intensität nachgefragt werden. Allerdings sollte auch klar gewichtet werden, wenn lebensbedrohliche Erkrankungen spezifische Medikation erfordern. Modifiziert nach: Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome